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Über die guten Erfahrungen von Frauen im „Männerberuf“: Schreinerin aus Leidenschaft

Nach dem Abitur hat sich Lea Ziegler bewusst gegen ein Studium und für eine Lehre entschieden – und dies nie bereut. Im Gegenteil. Damit steht die junge Frau aus Ottweiler für eine neue Generation mit Perspektive. Zum Abschluss der Ausbildung hat die 24-Jährige ein preiswürdiges Gesellenstück entworfen.

Lea Ziegler sagt: „Ich kann auch jungen Frauen nur empfehlen, Handwerker zu werden.“

Mit sichtlichem Stolz zeigt Lea Ziegler ihre Siegerurkunde des Wettbewerbs „Ich entwerfe mein Gesellenstück“. Daneben ihr Chef Theo Dörrenbächer.

Ja, ja, so sind sie, die lieben Kollegen: Schenken der einzigen Frau in der Werkstatt einen großformatigen Kalender mit knackigen nackten Männern, der jetzt ihren auffallend aufgeräumten Arbeitsplatz schmückt und dem Besucher ein Schmunzeln entlockt. Es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass das Pendant mit den nicht mal leicht bekleideten Frauen gut sichtbar an einer männerdominierten WOTEC-Maschine seinen Platz gefunden hat. Aber das nur am Rande. Im Mittelpunkt steht Lea Ziegler. Die junge Frau in der Männerwelt ist Auszubildende im Schreinergroßbetrieb Möbelfertigung Th. Dörrenbächer in Illingen. Das besondere an der 24-Jährigen: Sie hat erst Abitur gemacht und sich dann bewusst gegen ein Studium und für die Schreinerlehre entschieden. Wie kommt‘s? „Ich fand den Werkstoff Holz schon immer ein super-schönes Material und ich konnte mir zudem nicht vorstellen, dass mein Tagwerk zwei Stunden Vorlesung an der Uni sein soll. Das hätte mir nicht gefallen, deshalb habe ich mich für einen Handwerksberuf entschieden – und es keine Sekunde bereut.“ Soll hei- ßen, die sympathische Frau aus Ottweiler hätte sich von einem Studium nicht ausgelastet gefühlt. Als sie dies kopfnickend bestätigt, lächelt sie ihr leicht verlegenes Lea-Ziegler-Lächeln, das viel verrät über jene Frau, die so überdeutlich für eine neue Generation im Schreinergewerbe steht: klug, selbstbewusst, bescheiden, zupackend und nicht zuletzt zielstrebig. Verlegen aber auch deshalb, weil sie auf keinen Fall überheblich sein möchte. Nur ehrlich. Und: Ehrliche Arbeit hat sie jetzt. Mit einer dieser Arbeiten hat sie gerade eine Jury überzeugt und ihren ersten ersten Preis gewonnen, der ihr wichtig ist und der sie auch ein wenig stolz macht: „Ich entwerfe mein Gesellenstück“ – so heißt der Wettbewerb und so lautet auch die Aufgabe. Alle 81 Auszubildenden des dritten Lehrjahres waren aufgerufen mitzumachen, 30 von ihnen haben tatsächlich mitgemacht und einen Entwurf nach den formellen Vorgaben der Prüfungskommission eingereicht. Ein „Hängeschrank HPLNussbaumfurnier“ sollte es werden, zu fertigen in 38 Arbeitsstunden. Was Lea Ziegler schließlich vorgelegt hat, war nicht nur – wie gefordert – eine akribisch genaue Zeichnung und ein entsprechender Ablaufplan. Nein, sie hat sich auch um die Art der Präsentation so ihre Gedanken gemacht. Und offenbar nicht die dümmsten: „Ich hatte die Idee, meine Arbeit in einer furnierten Mappe abzugeben. Das war leichter gesagt, als getan. Quasi bis zur letzten Minute habe ich zu Hause mit dem Akkuschrauber auf dem Bett an dieser doch besonderen Präsentationsmappe gebastelt.“ Was sie nicht ausspricht, aber wiederum ihrem vielsagenden Lächeln zu entnehmen ist: Die Jury war wohl nicht nur von ihrem Hängeschrank-Entwurf sehr angetan, sondern auch von der mit viel Liebe zum Detail produzierten Mappe. Der Lohn: Viel Lob und 125 Euro Preisgeld. Immerhin. Und nicht zu vergessen, die Gewissheit, dass 80 Kollegen bei der Gesellenprüfung im Juli exakt ihren Entwurf nachbauen. Das macht auch ihren Chef und Ausbilder Theo Dörrenbächer stolz. Der 51-Jährige führt den über 100-jährigen Betrieb in fünfter Generation und hat es zu keiner Zeit bereut, das Experiment mit einer klugen jungen Frau in der Lehrwerkstatt gestartet zu haben. Sein lakonischer Kommentar: „Jederzeit wieder“. Dass es die erste Auszubildende überhaupt in seinem ZehnMann-Betrieb ist, macht die Sache noch interessanter. Apropos interessant. Wenn jetzt bald Prüfung ist, drängt sich die Frage nach der beruflichen Zukunft von Lea Ziegler auf. Und die hat einige Überraschungen zu bieten. Theo Dörrenbacher dürfte an dieser Stelle nicht ganz so glücklich sein, denn seine charmante Nachwuchskraft wird den Betrieb bald verlassen. „Ich gehe zusammen mit meinem Freund, der auch Schreiner ist, nach Neuseeland – Work and Travel.“ War klar, dass Lea Ziegler nicht untätig sein kann und einfach nur mal Urlaub macht. Nein, Erfahrung sammeln im fernen Ausland kann nix schaden für die weitere Karriere. Und die soll wie folgt aussehen. Nach dem Überseetrip möchte Lea Ziegler im Oktober 2015 ein Studium beginnen mit dem Ziel, danach Berufsschullehrerin zu werden und dafür zu sorgen, dass es auch in Zukunft im Saarland gut ausgebildeten Schreinernachwuchs geben wird. Ja, die Frau weiß genau, was sie will und was sie kann und wo es hakt. Nur ein Beispiel. Mit dem Abi in der Tasche hatte sie das Privileg, eine auf zwei Jahre verkürzte Lehre machen zu dürfen. „Das war nicht nur von Vorteil“, meint Lea Ziegler und bezieht sich auf die fehlende Praxis. Weiterhin stellt sich die Frage, wie hat sie es erlebt, als junge Frau in einem von Männern dominierten Beruf zu lernen und in einem klar von Männern beherrschten Betrieb zu arbeiten? „Das war und ist absolut okay und ich kann wirklich nicht klagen.“ Im Gegenteil, Lea Ziegler spricht sich klar dafür aus, mehr weiblichen Nachwuchs zu rekrutieren – vor allem auch vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels sind gut gebildete junge Frauen eine echte Option für die Zukunft der Wohnhandwerksbetriebe im Saarland. Bislang liegt die Quote der weiblichen Lehranfänger im saarländischen Schreinergewerbe bei rund 12 Prozent, die der Abiturienten bei fast 20 Prozent. Nimmt man die Erfahrungen von und mit Lea Ziegler zum Maßstab, dann steht einer nachhaltigen Steigerung dieser schon jetzt ordentlichen Quote nichts im Wege.

 

 

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